Karpaltunnel-Syndrom (KTS)

Definition
Es handelt sich um eine Einengung des Mittelhandnerven (Nervus medianus) im Karpaltunnel (Handtunnel) auf Höhe des beugeseitigen Handgelenkes. Durch die Kompression des Nerven kommt es zur Funktionsstörung mit typischer Gefühlsminderung bis zum Taubheitsgefühl von Daumen, Zeige- und Mittelfinger. Der Ringfinger ist nur auf seiner Speichenseite betroffen.











aus Wikipedia; Benutzer: Yuszuv

Anatomie
Der "Karpaltunnel" beginnt am beugeseitigen Übergang vom Handgelenk zur Handwurzel. Die acht Handwurzelknochen bilden in Form eines flachen U - Bogens den Boden und die Seiten dieses Kanals, das kräftige Handwurzelband (Retinaculum flexorum) bedeckt den Kanal. Im Karpalkanal verlaufen neun Beugesehnen für Langfinger und Daumen und der Mittelnerv (Nervus medianus). Der Mittelnerv ist etwa bleistiftstark und besteht aus Tausenden von Nervenfasern, die das Gefühl für die Beugeseiten und einen Teil der Streckseiten von Daumen, Zeige-, Mittel- und der Hälfte des Ringfingers vermitteln. Dazu führt der Mittelnerv einen Anteil (Thenarast), der einen wichtigen Teil der Daumenmuskulatur versorgt. Der Mittelnerv liegt zwischen dem queren Handwurzelband und den Beugesehnen, beim Strecken und Beugen des Handgelenkes und/oder der Finger kann er hier eingeengt werden.

Ursachen
Steigender Druck im Karpalkanal führt zur Kompression des Mittelnerven. Wenn die weiche Struktur des Nervens gegen das querverlaufende Handwurzelband gedrückt wird, kommt es zur Verschlechterung der Durchblutung im komprimierten Teil des Nervens und zu den typischen Symptomen.

Verschiedene Ursachen können zur Entwicklung eines KTS führen: Entzündliche Schwellung der Beugesehnenscheiden, Wassereinlagerung (auch hormonellbedingt), Schwangerschaft, rheumatische und degenerative Gelenkerkrankungen (Arthritiden), Quetschverletzungen mit starker Schwellung, sowie Brüche mit Verschiebungen oder in Fehlstellung verheilte Brüche im Handgelenk-Handwurzel-Bereich.

Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) begünstig das Auftreten, selten führen auch Tumore oder tumorähnliche Veränderungen (fast immer gutartig) zum Karpaltunnelsyndrom.
Selten kann das KTS ausgelöst werden durch sich ständig wiederholende Belastungen/Verletzungen im Rahmen besonders anstrengender Tätigkeiten.
Wesentlich häufiger können jedoch diese Tätigkeiten ein vorbestehendes KTS verschlimmern oder ein latentes KTS (noch ohne Symptome) auslösen. Wie berufliche Belastungen können aber auch andere Aktivitäten des täglichen Lebens und der Freizeit Symptome des KTS hervorrufen (z.B. längeres Rasenmähen oder Radfahren, Stricken, Holzarbeiten).

Vermeiden dieser Tätigkeiten, Arbeitspausen oder Benutzung ergonomischer Werkzeuge können die KTS-Beschwerden unter Umständen bessern. Zu entscheiden, ob ein KTS auf beruflich oder privat belastende Tätigkeiten zurückgeführt werden kann, ist sehr schwer.

Zeichen und Symptome
Die häufigsten Symptome sind Taubheit, Brennen und Prickeln von einem oder mehreren Fingern, in der Regel unter Ausnahme des Kleinfingers. Diese Symptome können jederzeit auftreten, sehr häufig und typischerweise jedoch nachts und am frühen Morgen und führen damit zum Aufwachen des Patienten.

Besserung erreicht der Patient dann durch Schütteln, Massage und Hochhalten der betroffenen Hand sowie Anwendung von kaltem Wasser.

Die Schmerzen können sich über Unterarm und Ellenbogen bis in Schulter und Hals ausdehnen. Diagnostisch abgrenzen muß man in diesen Fällen z.B. von der Halswirbelsäule ausgehende Beschwerden.

Bei Vorliegen eines KTS können die täglichen Aktivitäten mit Handgelenksbeugung und Greifbewegungen wie z.B. Telefonieren und Autofahren Taubheit und Prickeln hervorrufen.

Die Gefühlsminderung kann sich äußern in Unbeholfenheit und Schwäche der betroffenen Hand. Patienten lassen Gegenstände fallen oder sind nicht mehr in der Lage, bestimmte feinmotorische Tätigkeiten oder einen festen Spitzgriff auszuführen.

Einseitige Daumenballenatrophie bei KTS
Die rechte Hand (im Bild links) zeigt eine deutliche Verschmächtigung des Daumenballens.

Bei fortgeschrittenem KTS entwickelt sich eine Verschmächtigung des Daumenballens (Thenaratrophie). Als Folge sind die Beweglichkeit und die Kraft des Daumens eingeschränkt.

Diagnostik
In der Regel sichern die typische Vorgeschichte(Anamnese) und die klinisch-handchirurgische Untersuchung mit Feststellung der beschriebenen Symptome die Diagnose. Zur kompletten Diagnostik gehören unbedingt eine neurologische Untersuchung und bei entsprechender Anamnese die Röntgen-Untersuchung des Handgelenkes, um knöcherne Ursachen auszuschließen.

  

Die rechte Hand (im Bild links) zeigt eine deutliche Verschmächtigung des Daumenballens.

 


Therapie
konservativ

Pausen bei bestimmten Tätigkeiten, ggf. auch vollständiges Auslassen.Tragen einer Nachtschiene in leichter Streckstellung des Handgelenkes und in Abhängigkeit von den Beschwerden auch tagsüber. Lokale Eisanwendung sowie entzündungshemmende Medikamente, um die Schwellung zum Rückgang zu bringen. Entweder lokal als Salbe, Gel oder Creme und als lokale Injektion (umstritten: kann Sehnen und Nerv schädigen), sowie zusätzlich verabreicht als Tablette oder Zäpfchen.

Ein positiver Einfluß der Vitamin B-Therapie ist bisher nicht bewiesen.


operativ

Wenn die konservative Therapie nicht zum Erfolg führt, die Beschwerden des Patienten zu stark sind oder klinisch ein schweres und fortgeschrittenes KTS besteht, ist die Indikation zum operativen Vorgehen gegeben.  

Die Operation eines KTS erfolgt in der Regel ambulant, d. h. die Patienten können nach der Operation wieder nach Hause entlassen werden.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Operation schmerzfrei durchzuführen.  
In lokaler Betäubung, in Teil- oder Vollnarkose.

Operationstechnik    
Um das Infektionsrisiko zu senken, wird die Haut desinfiziert, das OP-Feld wird mit sterilen Tüchern abgedeckt.

Über einen kleinen längsverlaufenden Hautschnitt zwischen Daumen- und Kleinfingerballen wird zunächst die Palmaraponeurose gespalten und das derbe querverlaufende Handwurzelband schrittweise unter sicherem Schonen des Nerven durchtrennt. Vollständiges Darstellen des Nervus medianus bis in den Unterarm unter Zuhilfenahme eines beleuchteten Spekulums.

OP-Situs mit Blick durch das Spekulum (hier mit der Endoskopiekamera)
links und rechts die Branchen des Spekulum

Sicht auf das angspannte und schon eingekerbte Retinakulum mit dem Nerv

Das Retinakulum ist weiter gekerbt. Der Nerv ist jetzt gut zu sehen.

Das Retinakulum jetzt vollständig durchtrennt. Man sieht noch die störende Unterarmfascie.

Der Nerv liegt völlig frei und die Wunde kann verschlossen werden.


Trotz der kurzen Schnittführung ist damit eine perfekte Sicht auf die empfindlichen Strukturen erreicht.

Das Darstellen des motorischen Thenarastes (Nervenast, der zum Daumenballen zieht) und das Spalten Nervenhülle (Epineurium) erfolgt regelhaft nur bei Wiederholungseingriffen.

Die Beugesehnen werden dargestellt und bei entsprechenden entzündlichen Veränderungen erfolgt die sparsame Entfernung der Beugesehnenscheiden (Synovialektomie). Bei Patienten mit sehr schlanken Händen und bei Patienten mit extrem starker beruflicher Beanspruchung der Hände erfolgt eine Karpaldachplastik mit der mobilisierten Palmaraponeurose. Die Hautnaht und der sterile elasto-kompressive Verband beendet den Eingriff. 

Nur bei Rezidiveingriffen erfolgt die Ruhigstellung mittels streckseitiger Unterarmgipsschiene für 4-7 Tage

OP-Wunde unmittelbar am Ende der OP mit Naht, aber noch ohne Verband.

Nachbehandlung   
Der Patient geht nach der OP nach Hause.  Die Finger dürfen bewegt, aber nicht belastet werden. Am 1. oder 2. Tag nach der OP erfolgt der erste Verbandwechsel. Tragen des elasto-kompressiven Verbandes für 7 Tage (Gips maximal 7 Tage, nur bei Wiederholungseingriffen), dann nur nach Pflasterverband. Am 10.-12. Tag nach der Operation wird das Nahtmaterial entfernt.Am Tag nach dem Entfernen der Fäden ist ein Verband nicht mehr nötig.

Beginn mit regelmäßigen (3-4 x tgl.) Übungen im kalten Wasser (ggf. unter Zusatz von Eiswürfeln). Kälte reduziert die Schwellung, nimmt den Schmerz.Patienten, die Kälte nicht vertragen, nehmen lauwarmes Wasser. 5 Tage nach dem Entfernen der Fäden Beginn mit der Narbennachbehandlung: Narbe 4-5 x tgl. mit Vaseline, Melkfett oder Ringelblumensalbe dünn einreiben (massieren), die Narbe wird weicher, weniger schmerzhaft und besser belastbar.

Krankengymnastik und/oder Ergotherapie sind selten erforderlich, werden aber bei Auftreten von Bewegungseinschränkungen eingesetzt.      

Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit beträgt in der Regel 2 - 4 Wochen. Bei Patienten mit extrem starker beruflicher Beanspruchung der Hände, kann die sich Dauer auf 6 Wochen verlängern.

Verlauf nach der Operation
In der Regel bilden sich die KTS-Beschwerden schon in der ersten Nacht nach der OP zurück. Narbenbeschwerden verschwinden weitgehend innerhalb der ersten 6-8 Wochen. Nach 3-6 Monaten klagen die Patienten nicht mehr über Narbenbeschwerden. Ihren endgültigen Zustand hat die Narbe allerdings erst etwa 12 Monate nach der Operation.

Haben Patienten schon länger vor der Behandlung ein dauerhaftes Taubheitsgefühl, so dauert es länger bis das Gefühl in die Finger zurück kommt. Die Faustregel: So lange wie es taub ist, solange dauert es bis das Gefühl wieder kommt.

Daher nicht zu lange warten!


KTS-Rezidiv (=Wiederauftreten der Erkrankung)

Bei unter einem Prozent der Fälle kann es zu einem Wiederauftreten der Erkrankung mit ähnlichen Symptomen wie bei der Ersterkrankung kommen. Auch hier gilt nicht zu lange warten.

Neben einer Neurologischen Untersuchung einschließlich Messung sollte eine Kernspintomographie (MRT) durchgeführt werden.

Wenn sich der Befund bestätigt und eine neuerliche Einengung im Karpaltunnel, zum Beispiel durch Narbenbildung, besteht, ist eine erneute Operation erforderlich. Diese ist aufgrund der Voroperation etwas aufwendiger, da es durch die Voroperation zu Vernarbungen des Nerven mit der Umgebung, ggf. sogar zu einer Nervenverlagerung gekommen sein kann.

Um sicher den Nerven zu identifizeren zu können, wird die alte Schnittführung in Richtung Unterarm, ggf. in Richtung Finger,   verlängert, Dieses geht nur unter perfekter Sicht. Hierzu muß die Durchblutung des Armes für die Dauer der Operation (sog. Blutsperre oder Blutleere) durch eine Manschette am Oberarm unterbunden werden. Folglich geht keine erweiterte Lokalanästhesie. Es ist eine Vollnarkose oder eine Narkose nur des Armes (Plexusanästhesie, ggf. i.v. Regionale) erforderlich. Selbstverständlich ist auch dies selbstverständlich ambulant möglich.

Auch hier gilt nict zu lange warten!

Nach der Rezidiv-Operation ist eine 7-14 tägige Gipsruhigstellung erforderlich. Regelhaft bekommen die Patienten im Anschluß eine Verordnung für Manuelle Lymphdrainage und Krankengymnsatik. Die Rehabilitation ist heir deutlich länger.


Praxisklinik mit ambulantem OP-Zentrum